Die Schlacht um den Thüringer Wald

24.04.2014 12:59
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Verblüffende Informationen in der Thüringer Allgemeinen


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Die Schlacht um den Thüringer Wald


24.04.2014 - 02:00 Uhr
Amerikanische Panzer in Thüringen? Das gab es durchaus, allerdings nur 1945. Schon im Juni 1945 räumten die amerikanischen Soldaten ihre bis hinter Leipzig, bis Torgau und ins Erzgebirge reichenden eroberten Gebiete.



Bei einem Nato-Manöver im Herbst 1987 - im Foto rechts USA-Oberst Geffrey Kleb - waren in der Bundesrepublik auch Beobachter aus der DDR zugegen. Die Nationale Volksarmee (NVA) war durch Oberst Peter Herrich (2. von rechts) und Oberst Werner Litzroth (2. von links) vertreten. Links im Bild Bundeswehr-Oberstleutnant Egon Ramms. Archiv-Foto: dpa Bei einem Nato-Manöver im Herbst 1987 - im Foto rechts USA-Oberst Geffrey Kleb - waren in der Bundesrepublik auch Beobachter aus der DDR zugegen. Die Nationale Volksarmee (NVA) war durch Oberst Peter Herrich (2. von rechts) und Oberst Werner Litzroth (2. von links) vertreten. Links im Bild Bundeswehr-Oberstleutnant Egon Ramms. Archiv-Foto: dpa

Dafür übergaben die Sowjets an Amerikaner, Briten und Franzosen Sektoren in Berlin, das spätere Westberlin. Die Rote Armee rückte wie vertraglich festgelegt in Thüringen ein. Wer aber - außer wenigen eingeweihten Militärs - wusste bislang, dass sich das Schicksal Westberlins und Thüringens beinahe wieder gekreuzt hätte? Zumindest in den geheimsten Plänen für den Ernstfall.

Wer an der Geschichte des Ost-West-Konflikts und des "Kalten Krieges" interessiert ist, der stößt bei Recherchen bis heute oft an Mauern. Noch immer sind zahlreiche Dokumente aus den Jahrzehnten vor 1990 vertraulich oder geheim eingestuft und damit nicht für die Forschung zugänglich.

Nato veröffentlicht geheime Dokumente
Dass es auch anders geht, beweisen die Nato-Archivare. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht die Nato neuerdings auch bislang geheime, nunmehr offengelegte ("deklassifizierte") Dokumente.

Einige der spektakulärsten Papiere betreffen die streng geheimen Planungen für den Fall neuerlicher verschärfter Spannungen um (West-)Berlin.

Nach der zweiten Berlin-Krise 1958 bis 1961 begann die Nato, konkret das Oberkommando der alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE), mit Planungen für den Fall einer etwaigen neuerlichen Blockade Westberlins oder anderer Schritte der Sowjetunion gegen die weit auf östlichen Gebiet liegende westliche Exklave.



Der Autor: Dr. Klaus Storkmann (38) ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Potsdam.

Die Dokumente beweisen, wie eng das Schicksal Thüringens mit dem Westberlins verbunden war. "Die Sicherung der Freiheit und Lebensfähigkeit Westberlins ist für den Westen von lebenswichtigem Interesse." - So lautete das Credo der hinter den Berlin-Plänen stehenden Gedanken.

Auch die Bundesrepublik war in die Verteidigung Westberlins eingebunden: "Die Bundesregierung wird alles dazu beitragen, damit eine erfolgversprechende Vorwärtsverteidigung verwirklicht werden wird."

Um für eine neuerliche Krise um Berlin gewappnet zu sein, entwarfen die Strategen in Brüssel unter dem Codewort "Bercon" eine Reihe von Planungen.

In den bislang streng geheimen Papieren finden sich zunächst Luftoperationen über dem Gebiet der DDR, bis hin zu schweren konventionellen Luftangriffen auf dortige militärische Ziele.

Die wohl massivste Option waren die unter dem Codewort "Bravo" zu findenden Einsätze von Nuklearwaffen über "streng militärischen Zielen" über "kommunistischem Gebiet".

Die wichtigsten dieser Operationspläne drehten sich um das Gebiet Magdeburg. Kein Wunder, war doch die heutige Autobahn 2 die kürzeste Verbindung zwischen der alten Bundesrepublik und Westberlin. Wenn die Nato Westberlin retten oder zumindest schnell erreichen wollte, dann ging dies nur über die Magdeburger Gegend.

Für das Schicksal Thüringens entscheidend waren aber zwei Landoperationen unter den Codewörtern "Charlie 2" und "Charlie 4".

Option 2 sah den Angriff von zwei Divisionen aus dem Raum Kassel auf DDR-Gebiet bis zur heutigen Ortschaft Leinefelde-Worbis vor, also gut 40 Kilometer. In den historischen Dokumenten ist konkret von den Orten Worbis, Dingelstädt und Wanfried die Rede.

Die weitaus größere Option 4 sah den Angriff eines Korps mit vier Divisionen "entlang der Achse Weimar-Halle-Berlin" (gemeint war damit die heutige Autobahn 4) bis zum Thüringer Wald und dessen Besetzung vor. Welche Divisionen eingesetzt worden wären, zeigt zumindest dieses Dokument nicht konkret.

Für die "große" Option 4 liegt es aber nahe, dass es die in Hessen und Franken stationierten kampfstarken amerikanischen Divisionen gewesen wären - eventuell verstärkt durch Bundeswehrdivisionen.

Für die "kleine" Option 2 waren zumindest Mitte der 1960er-Jahre laut ebenfalls freigegebenen Dokumenten zwei Divisionen des in Hessen und Rheinland-Pfalz stationierten III. Korps der Bundeswehr vorgesehen. Intern schlug das Verteidigungsministerium in Bonn aber vor, statt des eigenen III. Korps besser ein (im Raum Köln stationiertes) belgisches Korps einzusetzen.

Der Grund für die Skepsis der Bundeswehrgeneräle liegt auf der Hand: Die Bercon-Operationen waren nüchtern betrachtet nicht realistisch und wenig aussichtsreich. Das Bundesverteidigungsministerium sah zudem die Gefahr, dass der Vormarsch auf Thüringen "von der Sowjetunion als ein Angriff [...] fehlgedeutet würde".

Tatsächlich trugen die Schlachtpläne die Eskalation zum "großen" Krieg schon in sich. Der gewaltsame Durchbruch mehrerer Nato-Divisionen auf das Gebiet der DDR wäre von dieser und von der Sowjetunion kaum achselzuckend hingenommen, sondern unvermeidlich als Angriff bewertet worden.

Ein kampfstarker Eliteverband
Im Gebiet des heutigen Thüringen waren bis zu deren Abzug nach 1990 sowjetische Militäreinheiten konzentriert. Hier lag die 8. Gardearmee, ein kampfstarker Eliteverband der Sowjetarmee mit zahlreichen Regimentern. Von Weimar und Nohra aus kommandierte der sowjetische General vier Divisionen und nochmals sechs Brigaden.

Schon allein eine Division, die 39. Garde-Mot.-Schützendivision, verfügte über sieben Regimenter in Ohrdruf, Gotha und Meiningen. Wie alle sowjetischen Soldaten waren sie ständig unter Waffen und wären in kürzester Zeit zur Verteidigung gegen die anrückenden (vermutlich) amerikanischen Divisionen startklar.

Unterstützt worden wären sie von feuerstarken Raketen- und Artilleriebrigaden aus Arnstadt und wiederum Gotha und Ohrdruf. Im Angriffsstreifen der "kleinen" nördlichen Operation Richtung Leinefelde-Worbis lagen dagegen keine sowjetischen Truppen, lediglich ein Regiment in Sondershausen und ein Bataillon in Mühlhausen wären als Verteidiger nahe gewesen.

Lücke von Einheiten der NVA geschlossen
Diese Lücke wäre aber von Einheiten der NVA geschlossen worden. In Mühlhausen lag das Mot.-Schützenregiment "Thomas Müntzer". Andere NVA-feldgraue Regimenter lagen in Bad Salzungen, Erfurt und Gotha. Thüringen war ein hochgerüstetes, waffenstarrendes Gebiet.

Die Schlacht im Eichsfeld oder um den Thüringer Wald wäre für beide Seiten mit hohen Verlusten verbunden gewesen.

In den Nato-Planungen findet sich jeweils der unauffällige Hinweis "nuclear annex", also nuklearer Anhang.

Dahinter verbarg sich noch weitaus Brisanteres: Falls die nach Osten vorrückenden Nato-Divisionen Gefahr liefen, "geschlagen oder vernichtet zu werden" oder die Operationsziele nicht erreicht werden, konnte der "selektive Einsatz" von Nuklearwaffen "auf militärische Ziele in der SBZ" folgen. "SBZ" (Sowjetische Besatzungszone) war die damals im Westen noch gängige Bezeichnung für die DDR.

Konkret hieß dies: Wären die anrückenden Divisionen in Kämpfen mit sowjetischen oder DDR-Truppen gestoppt worden, so hätte die Nato Atomwaffen einsetzen können. Konkrete Ziele sind im Dokument aber nicht benannt.

Nüchtern und sachlich stellte ein internes, nunmehr ebenfalls offengelegtes Papier des Bundesverteidigungsministeriums vom April 1962 fest, die Landoperationen "ostwärts Kassel" und gegen den Thüringer Wald berührten "lebenswichtige Interessen der Sowjetunion - Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft im Satellitenbereich" [gemeint war die DDR] - und würden "zu einer massiven Antwort, zu einer harten sowjetischen Reaktion" führen.

Vermutlich waren die Bercon-Pläne der östlichen Seite, der Sowjetunion oder auch der DDR ohnehin durch Spionage bekannt. Darauf verwies ein internes Dokument aus Bonn vom Januar 1966.

Bei der Auswertung eines sowjetischen Manövers vom Oktober 1965, genannt "Oktobersturm", fiel westdeutschen Militärs auf, wie sehr die Manöveridee an die Nato-Operation Bercon Charlie 4 - also die Thüringer Wald-Besetzung - erinnerte. Die Bundeswehroffiziere schlussfolgerten, "die Sowjets kennen sowohl die Grundzüge der Bercon-Planung als auch die Nato-Operationen Bercon Charlie, mindestens in großen Umrissen".

Für die Strategen in der Nato bot die Besetzung des Thüringer Waldes aber noch andere, sehr praktische militärische Vorteile. Die damalige innerdeutsche Grenze machte zwischen Hessen und Thüringen einen weiten Schlenker nach Westen.

In Nato-Papieren wurde dies der "Thüringer Balkon" getauft; ein Gebiet, von dem aus angreifende sowjetische oder DDR-Truppen einen strategischen Geländevorteil hätten. Diesen Vorteil hätte man dem Osten genommen und sich selbst gegeben.

Durch die Besetzung des Thüringer Waldes wäre die Fronlinie deutlich verkürzt worden. Eine kürzere Front bedeutet mehr eigene Truppen auf kleinerem Raum, ist also für Strategen ein wichtiger Pluspunkt. Zudem ließen sich die Höhen des Thüringer Waldes leichter gegen von Osten her angreifende Truppen verteidigen.

Bei der Bewertung der Nato-Pläne ist es wichtig, nicht nur auf die dort zu findenden sehr drastischen Operationsideen zu achten. Vielmehr müssen zuerst der politische und der strategische Hintergrund bedacht werden. Ziel und Sinn der Pläne war es, eine angemessene militärische Reaktion auf eine neue Berlinkrise in der Schublade zu haben.

Es sollte kein Alles oder Nichts geben
Dabei sollte es keinen (!) Automatismus geben, der aus einer "kleinen" Krise um Westberlin einen Weltkrieg entstehen ließ. Es sollte eben kein "Alles oder Nichts" geben. Es ist daher wahrscheinlich, dass diese Pläne eher als politisches Druckmittel gegenüber dem Ostblock gedacht waren.

"Live Oak" war das zweite, deutlich abgeschwächte Maßnahmenpaket des Westens, um im Fall einer Berlinkrise reagieren zu können. Da die östliche Aufklärung die Pläne vermutlich bereits kannte, wäre deren Aktivierung ein Zeichen der Entschlossenheit der Nato und damit das ultimative politische Signal gewesen. Ihre tatsächliche Durchführung aber hätte den nuklearen Schlagabtausch, den Dritten Weltkrieg, eingeleitet. Die Bercon-Planungen blieben - wenn auch leicht modifiziert - bis 1990 in Kraft.

Die Deklassifizierung dieser damals hoch brisanten Papiere ist ein verdienstvoller Beitrag der Nato-Archivare zur zeithistorischen Forschung, der nicht gering geschätzt werden sollte.

Klaus Storkmann / 24.04.14 / TA



FuAB-21/NB-4/AB-4/MSR-24/OHS S08/Rentner

Jedes Ding hat drei Seiten: mein, deine und die der Tatsachen.


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24.04.2014 20:46 (zuletzt bearbeitet: 24.04.2014 21:15)
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Und das ist der stilisierte Aufmarschplan. Das Bild gehört noch zu Artiker der Thüringer Allgemeinen.



FuAB-21/NB-4/AB-4/MSR-24/OHS S08/Rentner

Jedes Ding hat drei Seiten: mein, deine und die der Tatsachen.


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26.04.2014 20:41
avatar  anbruwi
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Hi Oldi,

super Beitrag

ich kann mich noch daran erinnern,daß bei Gefechtsalarm unser Bereitstellungsraum zwischen Erfurt und Ordruf war,und dort haben wir auch mal ein Feldlager aufgeschlagen und sind dort chemische Aufklärungen an bestimmten Punkten gefahren.

P.S. der Beitrag würde auch ins andere Forum von feuer passen

Gruß
anbruwi

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Uffz. und Zugführer Chemische Dienste Stabskompanie MSR-24 von 1971-1974

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